Kirche im Wandel gesund leiten Teil I: Verstehen warum Kirche sich wandeln muss

Laut einer Studie behaupten 59,4% aller Ostdeutschen, dass sie nicht an Gott glauben und noch nie an einen Gott geglaubt haben. Im Westen sind es 9,2%. Um diese Statistik zu verändern braucht es eine Bewegung von neuen und erneuerten Kirchen durch die Ostdeutschland mehr glaubt. „Kirche im Wandel gesund leiten“ ist ein dreiteiliger Artikel um all diejenigen von uns zu inspirieren, die sich mutig für die Erneuerung von bestehenden Kirchen einbringen. 

Dazu schreibe ich nicht als Experte für Change-Management. Ich bin auch kein Psychologe, der die inneren Prozesse von Wandel wissenschaftlich erklären kann. Ich bin Pastor. Ich habe Wandel initiiert und durch Veränderung hindurchgeführt. Ich habe unter Wandel gelitten, Fortschritt erzielt und bin durch ihn gereift. Ich möchte euch nun an meinen Erfahrungen teilhaben lassen.


Ich bin überzeugt, dass sich Kirche wandeln muss, um bedeutungsvoll zu bleiben. Die Kunst dabei ist, als pastorale Führungskräfte Wandel zu initiieren, durch Wandel zu führen und dabei selbst emotional und geistlich gesund zu bleiben.

Meine Geschichte

Meine persönliche Geschichte kennt Beständigkeit und Wandel.

Eigentlich bin ich eine sehr stetige Person. Im August 1989 trat ich meine erste Stelle als Vikar an. In dieser Gemeinde war ich 23 Jahre 6 Monate 2 Wochen und 4 Tage tätig. 1997 traf ich Manfred Lanz auf den ersten Barnabas Tagen in Überlingen am Bodensee. 20 Jahre lang war ich dann Teil des GGW-Teams. 2017 habe ich als letzter Mohikaner der ersten Stunde meinen Abschied aus dem GGW Leitungsteam gefeiert. Und in diesem Jahr bin ich seit 30 Jahren glücklich mit der gleichen Frau verheiratet.

Mein Supervisor hat mich einmal so eingestuft: “Du bist nicht der, der von seiner Persönlichkeit her total auf Veränderung steht.“

Es gibt jedoch auch einen anderen Aspekt meiner Biografie. Ich bin Wandel oft ausgesetzt gewesen und bin immer wieder als Katalysator für Wandel unterwegs.

Mein Vater stammt aus Thüringen. Meine Mutter aus dem Elsass. Ich selbst bin in Uganda, Ostafrika geboren. Aufgewachsen bin ich sowohl in Uganda als auch in Kenia. Als ich 12 Jahre alt war, kehrte ich mit meinen Eltern nach Deutschland zurück. Bis dahin sprach ich nur Englisch. Ab dem 12. Lebensjahr sollte ich Deutsch lernen, es ist jedoch Schwäbisch geworden. Mit 19 ging ich nach England, um Theologie zu studieren. Mit 22 kehrte ich zurück, heiratete und trat meine erste Stelle an.

Meine erste Aufgabe als Vikar bestand darin, eine 40 Jahre alte Pfingstgemeinde zu erneuern. Mein Ziel war eine Kirche, in der die Eingangstüren nicht einer Zeitmaschine ähneln: Du gehst durch die Türe und bist um Jahrzehnte zurück versetzt. Ich wollte eine Kirche, die die heutige Generation erreicht. Um dieses Ziel zu erreichen war Wandel notwendig.

Auch im zwischenkirchlichen Bereich änderte sich etwas. Die kleine Pfingstgemeinde war durch eine Abspaltung von den Pietisten entstanden. 50 Jahre lang gab es keine Gemeinsamkeit in dem kleinen Ort von 7.500 Einwohnern. Als ich 2013 Hemmingen verließ, hatten wir eine gut laufende Allianzarbeit und selbst auf ökumenischer Ebene waren wir inzwischen zusammen unterwegs.

Vielleicht der größte persönliche Wandel, den ich vollzogen habe, war unser Umzug von Süddeutschland nach Thüringen. Das war eine starke Veränderung für uns. Seitdem habe ich das Gefühl, dass meine Hauptaufgabe darin besteht, Wandel zu erkennen und meine Rolle zu verändern, um weiteren positiven Wandel zu ermöglichen. Mein Ziel hier ist nicht einfach eine Gemeinde zu verändern. Wir wollen in der Gesellschaft einen Wandel des geistlichen Status Quo durch eine Bewegung von neuen und erneuerten Gemeinden fördern, damit #ostdeutschlandglaubt.

Meine Erfahrung mit Wandel hat mir gezeigt, was Wandel ermöglicht. Kirchen fangen an, zeitgemäß und alltagsbezogen Glauben zu leben. Durch den Wandel werden die Türen der Kirche verstärkt in beide Richtungen geöffnet – wir gehen zur Welt und die Welt kommt zu uns. Dadurch bekommen mehr Menschen einen hilfreichen Zugang zu Gott und der Bibel und die Möglichkeit eine persönliche Gottesbeziehung einzugehen. Wandel hat immer wieder gelebte Mission ermöglicht und verstärkt.

Ich bin also eine beständige Persönlichkeit, die meistens als Katalysator für Wandel unterwegs ist. Hierbei sind mir drei Dinge wichtig: Es geht erstens darum, dass wir verstehen warum Kirche sich wandeln muss. Danach müssen wir als zweites, spüren, was Wandel emotional mit einem Leiter macht. Und drittens, weil Kirche sich wandeln muss, aber dieser Wandel den Leiter emotional betrifft, brauchen wir Hilfen, damit wir als Leiter Wandel gesund leiten können.

Dazu schreibe ich nicht als Experte für Change-Management. Ich bin auch kein Psychologe, der die inneren Prozesse von Wandel wissenschaftlich erklären kann. Ich bin Pastor. Ich habe Wandel initiiert und durch Veränderung hindurchgeführt. Ich habe unter Wandel gelitten, Fortschritt erzielt und bin durch ihn gereift. Ich möchte euch nun an meinen Erfahrungen teilhaben lassen.

Wandel umarmen

Verstehen warum Kirche sich wandeln muss.

Es muss was geschehen – es darf nichts passieren, ist eine der Haltungen, mit der wir unterwegs sein können. Wir hätten gerne die guten Früchte von Wandel, aber bitte ohne den Wandel selbst. Wir hätten gerne eine wachsende, sich reproduzierende, gesellschaftsrelevante Kirche. Aber bitte verändert die Form unserer Gottesdienste nicht, ändert die Leitungsstruktur unserer Gemeinde nicht und vor allem nehmt keine personellen Veränderungen vor: Es muss was geschehen – es darf nichts passieren.

Die Realität ist: Wandel ist nicht das Ziel. Aber wir müssen den Wandel umarmen, weil wir ein Ziel haben.

Wandel ermöglicht, dass Kirche bedeutungsvoll für die Welt bleibt.

In seinem Buch „Rethinking the Church” schreibt James Emery White von den Erfahrungen der Schweizer Uhrenmacher:

Viele Jahrzehnte lang dominierten die Schweizer die Uhrenindustrie. Vor 50 Jahren (1968) waren 65 % aller Uhren in der Welt Schweizer Uhren und bis zu 90 % der Gewinne aus der Uhrenindustrie gingen in die Schweiz.

Im Jahre 1980 kontrollierte die Schweiz jedoch weniger als 10 % vom Weltmarkt. Ihr Gewinn sank auf weniger als 20 %. In einem Zeitraum von nur drei Jahren verloren 50.000 der 62.000 Schweizer Uhrenmacher ihren Job. Warum? Die Schweizer haben sich geweigert eine neue Entwicklung zu beachten – die Quarz Entwicklung – die ironischerweise von einem Schweizer erfunden wurde. Es war für sie ein zu großer Paradigmenwechsel, so dass sie die Veränderung nicht umarmen konnten. Seiko dagegen hat die neue Technologie umarmt und übernahm zusammen mit ein paar anderen die Führung.

Wir können eine wichtige Lektion von den Schweizer Uhrenmachern lernen. Eine Vergangenheit, die so sicher, so erfolgreich und so beherrschend war, wurde zerstört durch den Mangel an Bereitschaft die Zukunft zu bedenken. Der Erfolg der Vergangenheit hat sie blind gemacht für die Bedeutung der Veränderungen in der Welt. Sie haben verpasst zu erkennen, dass vergangene Errungenschaften keine Garantie für zukünftige Erfolge sind.

Eine wichtige Erkenntnis ist darum, dass eines der größten Hindernisse dafür, heute eine relevante Kirche zu sein, in den Erfolgen der Vergangenheit zu finden ist. Die Aussage „so haben wir es immer gemacht,“ ist oft genau der Grund, warum unsere Kirchen an Bedeutung für Gottes geliebte Welt verlieren. Wenn wir bedeutungsvoll bleiben wollen, müssen wir Wandel umarmen, denn …

Wandel ermöglicht der Gemeinde Gottes gute Absichten für unsere Welt zu erfüllen

Keine Kirche kann Gottes gute Absichten für unsere Welt erfüllen, wenn sie den Wandel nicht umarmt.

In Matthäus 28,18-20 finden wir den Auftrag der Kirche:

Jesus kam und sagte zu seinen Jüngern: »Mir ist alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben. Darum geht zu allen Völkern und macht sie zu Jüngern. Tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alle Gebote zu halten, die ich euch gegeben habe. Und ich versichere euch: Ich bin immer bei euch bis ans Ende der Zeit.

„Darum geht zu allen Völkern und macht sie zu Jüngern.“ Diese Beauftragung erforderte von den damaligen Leitern Veränderung auf der ganzen Linie.

Es erfordert einen Paradigmenwechsel:

Zu allen Völkern. Wie herausfordernd dieser Paradigmenwechsel für die ersten Apostel war sehen wir bei Petrus:

Apg. 10, 13-14 Er hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: »Petrus, steh auf. Schlachte sie und iss davon.« 14 »Niemals, Herr«, erklärte Petrus. »In meinem ganzen Leben habe ich noch nie etwas gegessen, das uns nach unserem jüdischen Gesetz verboten ist. … Apg. 10, 28-29 Er erklärte ihnen: »Ihr wisst, dass es mir nach jüdischem Gesetz verboten ist, mit einem Angehörigen eines fremden Volkes zusammenzukommen oder ein nichtjüdisches Haus wie dieses zu betreten. Aber Gott hat mir gezeigt, dass ich niemanden für unrein halten darf. 29 Deshalb bin ich sofort, als ihr mich holen ließt, mitgekommen.

Sie mussten Dinge tun, die sie bisher bewusst nicht getan hatten. Sie mussten an Orte gehen, die sie früher absichtlich gemieden hatten. Sie mussten sich Kulturen anpassen, die ihrer Kultur völlig fremd waren. Und sie mussten vor allem sich selbst und ihre Denkmuster verändern.

Es erfordert eine größere Dimension.

Die Jünger sollten nicht mehr nur in Jerusalem und Israel unterwegs sein. Ihr Spielfeld war jetzt die ganze Welt. Sie waren nicht einfach eine Lokalgemeinde. Sie waren Leiter, die eine Beauftragung für ihren Ort Jerusalem hatten und parallel dazu für Judäa, Samaria und für die ganze Welt.

Wenn du eine Gemeinde von 50 oder 60 Personen hast – würdest du es gerne sehen, wie 300 Menschen in deiner Stadt eine Entscheidung für Jesus treffen? Dann musst du anfangen in dieser Dimension zu denken. Dann reicht es nicht aus,  einfach darüber nachzudenken, wie du deinen Gottesdienst für 60 oder 70 Personen gut gestalten kannst. Wie müsste deine Gemeinde leben, atmen, funktionieren, damit sie in der Lage ist, von Gott gebraucht zu werden, um zuerst 150 Menschen und dann vielleicht auch 300 Menschen in eine ewige Freundschaft mit Jesus zu führen?

Wie müsste deine Kirche sich aufstellen, damit Gott sie gebrauchen kann, dazu beizutragen, dass 1 % deiner Stadt zu aktiven Nachfolgern Jesu werden, die Kirche lieben und leben?

Wie gestaltet sich Kirche, wenn sie wirklich bis ans Ende der Welt eine heilvolle lebensverändernde Auswirkung haben will? Ich glaube, dass die Aufgabe von pastoralen Führungskräften nicht darin besteht, das, was in ihrer Gemeinde vorhanden ist, zu erhalten. Ihre Aufgabe ist es, die Gemeinde in die Dimension hineinzuführen, die Gott für jede Lokalgemeinde hat. Diese Dimension, die Gott für deine Gemeinde hat, wird die Art und Weise verändern, wie du Kirche denkst und lebst.

Als ich nach Thüringen kam war dieser Gedanke für mich sehr wichtig. Nicht nur zu denken wie ich erfolgreich eine Gemeinde im Osten gründe. Das wäre für mich Herausforderung genug gewesen. Die Frage war und ist eher wie wir vorgehen müssen, um 0,5 % von Thüringen in die aktive Nachfolge Jesus zu führen. Wir waren bei ungefähr 300 Christen in unseren BFP-Gottesdiensten in ganz Thüringen. 0,5 % würden 10.000 Thüringer bedeuten. Mir wurde eines klar: Nur eine neue Gemeinde würde nicht ausreichen. Wir brauchen eine Bewegung von neuen Kirchen und erneuerten Kirchen, die sich alle gesund entwickeln und an der Reproduktion von Kirchen beteiligt sind. Daran arbeite ich, unsere Region fit zu machen für diese Dimension.

Es erfordert Rollenwechsel

Bisher folgten die Jünger Jesus, dem Gesandten nach. Jetzt wurden sie zu Gesandten. Jesus trug bisher die letzte Verantwortung. Jetzt hatten sie die Verantwortung. Sie waren die Leiter der Gemeinde in Jerusalem, aber bald mussten sie eine weitere Leitungsebene einrichten, damit sie stärker in ihrer Rolle dienen konnten (vgl. Apg. 6).

Dann entstanden nicht nur neue Dienste und Verantwortungsebenen in der Jerusalemer Gemeinde, vielmehr entstanden ganz neue Gemeinden in Samarien, in Antiochia und darüber hinaus.

Die Leiter der Ortsgemeinde in Jerusalem mussten lernen mit Wachstum, Reproduktion und Multiplikation klarzukommen. Dabei konnten sie erleben, dass Wachstum erforderte, dass sie ihre Rolle anpassten und durch diesen Wandel Reproduktion und sogar Multiplikation möglich wurde.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse in Bezug auf Kirche im Wandel ist: Kirche wird sich nur wandeln, wenn ihre Leiter sich wandeln. Es dürfte schwierig sein, dass du in deiner Rolle oder Position unverändert bleibst und der Wandel aber dennoch richtig gut läuft.

Wenn wir als Leiter Wandel für unsere Kirchen umarmen, werden unsere Kirchen bedeutungsvoll bleiben, indem sie erfolgreich Gottes gute Absichten für unsere Welt erfüllen.

Teil II: „Wandel emotional erleben – Spüren was Wandel emotional mit einem Leiter macht“


Photo by Chris Lawton on Unsplash

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